Gastvortrag: Was ist der Springende Punkt? Ein unbenannter grober Irrtum in Aristoteles' Historia animalium 6,3
Einladung zum Gastvortrag Prof. Dr. Otta Wenskus (Innsbruck), Donnerstag, d. 12. Juli 2018, um 16 Uhr c.t., O.08.23.
Wenn von Aristoteles’ Leistungen in der Biologie die Rede ist, wird oft auf Historia animalium 6,3 verwiesen, besonders auf 560 b 7 – 15. In Hühnereiern, so Aristoteles, entwickeln sich in drei Tagen bereits die „ersten Zeichen“, vor allem eine Art blutiger Punkt im Eiklar: das Herz. Dieser Punkt zucke und bewege sich wie etwas Beseeltes. Das stimmt so nicht, denn das Vogelherz entwickelt sich vielmehr in der Keimscheibe, welche dem Eigelb aufsitzt und wie dieses von der Dotterhaut bedeckt wird. Entweder ist der Text falsch überliefert, oder Aristoteles irrt bzw. übertreibt auf irreführende Weise. Das Problem, um das es in diesem Vortrag geht, ist aber weniger die Entstehung des Irrtums, sondern vielmehr, die Frage, wieso er entweder nicht entdeckt oder zumindest in der gängigen Literatur nicht benannt worden ist – nicht einmal von Forscherinnen und Forschern, die stark interdisziplinär arbeiten und Aristoteles keineswegs unkritisch loben. Hier scheint eine Sonderform des Denkfehlers vorzuliegen, welche als Kaskadeneffekt bezeichnet wird.